Eine One-Woman-Performance in 52 Rollen über vier Jahre
Zwischen dem 5. Januar 2003 und dem 13. Juni 2007 habe ich an 52 Tagen die Schaufensterpuppe im Second-Hand-Geschäft ET CETERA fotografiert. Die Serie »Second-Hand-Model« passt ideal in ein Theater mit seinem Kostümfundus und der Lust der Schauspieler am Verkleiden. Im Juni 2007 wurde der Verkauf des Geschäftes annonciert. Es bekam neue Inhaber, aber nie wieder wurde das Model so geschmackvoll, erotisch und phantasievoll eingekleidet wie in den vier Jahren meiner Aufnahmesession. Weitere Informationen finden Sie im Artikel »Eine One-Woman-Performance in 52 Rollen über vier Jahr«.
Das gesamte Portfolio besteht aus 52 Doppelbildern (Printgröße 29 x 42 cm, sowie Leinwand mit Keilrahmen 40 x 60 cm). In dieser Übersicht stehen 20 als Indexprint und 19 als Einzelbilder zur Ansicht bereit. Die Bilder sind auch als gedrucktes Künstlerbuch mit 110 Seiten im Format 21 x 27 cm erschienen (2007). Weitere Informationen zu den Original-Prints und den Künstlerbüchern finden Sie im Support.
Das Portfolio war erstmals öffentlich in der Einzel-Ausstellung »Second Hand Model – Eine One-Woman-Performance in 52 Rollen über vier Jahre«, im Theater O-TonArt in Berlin-Schöneberg vom 9. März bis 27. April 2018, zu sehen (Dokumente).
Einzelbilder



















Eine One-Woman-Performance in 52 Rollen über vier Jahre
Wir sind im »Theater O-TonArt«. Während André Fischer auf der großen Bühne in dem Solo-Stück »Maman und Ich« 32 verschiedene Rollen in zwei Stunden spielt, findet auf der kleinen Bühne, im Foyer, eine »One-Woman-Performance-Show« statt. Zwischen dem 5. Januar 2003 und dem 13. Juni 2007 habe ich mit meiner ersten Digital-Kamera an 52 Tagen die Schaufensterpuppe im Second-Hand-Geschäft ET CETERA in der Berlinickestraße am Eingang zum S-Bahnhof Rathaus Steglitz fotografiert.
Nach meinen früheren Schwarzweiß-Bildern gab es nun einen Rausch an Farben, prächtiger Mode und Accessoires. Eine wahre Performance entfaltete sich entsprechend der Jahreszeiten und Festtage: Zu Weihnachten z.B. bekam das Model Engelsflügel oder trug ein T-Shirt mit der Heiligen Madonna. Wöchentlich dekorierte die Inhaberin ihre Schaufensterpuppe neu. Kleidung, Perücken, Brillen, Hüte, Ketten, Handtaschen und Gürtel wechselte sie, je nach ihrer Lust und Laune. Die schöne Unbekannte in den Jugendstil-Einbauten des Geschäfts wurde zu einer vertrauten, aber geheimnisvollen Nachbarin, die die Neugier erweckt hatte und an der ich nicht einfach vorbei gehen konnte.

Modepüppchen, Schaufensterpuppe oder Mannequin genannte Figuren entstanden um 1850 in Paris. Schneidereien stellten in ihren Schaufenstern eigene Entwürfe an kopflosen Schneiderpuppen zur Schau, um Kunden anzulocken. Im Bereich der Bildenden Kunst sind maßstabsgetreue, bewegliche Glieder- oder Gelenkpuppen seit der Antike bekannt. Sie werden verstärkt mit Beginn der Renaissance in Italien um 1500 von Bildhauern und Malern eingesetzt.
Proportionslehre und Bewegungsstudien bestimmten den Tenor der Zeit und nicht jeder Künstler konnte sich ein lebendes Modell leisten. Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Zeit der großen Warenhäuser mit entsprechenden Fensterfronten, die je nach Jahres- oder Festzeit mit lebensgroßen Schaufensterpuppen dekoriert wurden. Der Schaufensterbummel war erfunden und die Modepuppen wurden immer realistischer dargestellt. Identifikation, Präsentation, Träumerei und Verführung zum Kauf vereinen sich noch heute in ihnen.
Obwohl die Aufnahmeperspektive fast immer gleich war, spiegelte sich in der Schaufensterscheibe des Geschäfts die Umgebung des S-Bahnhofs Steglitz. Je nach Tageszeit, im vollen Sonnenlicht oder am Abend mit Blitzlicht, sieht man auf den Bildern mal die Mülltonen, die später hinter einer spanischen Wand versteckt waren, mal die Werbung eines Frisiersalons, wildes Plakatieren, zerkratzte Schaufensterscheiben, die Graffitis und das Straßenpflaster mit den beiden Gullydeckeln direkt vor dem Laden.
Die Serie Second-Hand-Model passt ideal in ein Theater mit seinem Kostümfundus und der Lust der Schauspieler am Verkleiden. Die Besucher werden den Aufführungen entsprechend, ihren Teil dazu beitragen. Mit dem letzten Bild, der unbekleideten Schaufensterpuppe im Juni 2007 wurde der Verkauf des Geschäftes annonciert. Es bekam neue Inhaber, aber nie wieder wurde das Model so geschmackvoll, erotisch und phantasievoll eingekleidet wie in den vier Jahren meiner Aufnahmesession.
Friedhelm Denkeler, Februar 2018
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