Wenn ein Photograph sich während seiner künstlerischen Laufbahn verpflichtet fühlt, seine eigene Vorstellung von ›guten‹ Bildern umzusetzen und aufgrund seiner Phantasie damit der Wirklichkeit in seinen Bildern seine eigene Persönlichkeit auferlegt, dann handelt er im eigenen Auftrag. Man kann ihn als ›Autorenfotograf‹ bezeichnen, der in diesem Fall ein Schwarzbuch nicht mit illegalen Vorgängen, sondern mit dunklen, fast schwarzen Bildern herausgibt.
Siehe hierzu auch der Artikel Wann handelt ein Photograph im eigenen Auftrag? Das gesamte Portfolio besteht aus 110 Photographien 30 x 45 cm. In dieser Übersicht stehen 30 als Indexprint und als Einzelbilder zur Ansicht bereit. Die Bilder sind zwischen 2008 und 2021 entstanden und 2021 als gedrucktes Künstlerbuch mit 120 Seiten im Format 30 x 21 erschienen. Weitere Informationen zu den Original-Prints und den Künstlerbüchern finden Sie im Support.
Einzelbilder
Wann handelt ein Photograph im eigenen Auftrag?
Wenn ein Photograph sich während seiner künstlerischen Laufbahn verpflichtet fühlt, seine eigene Vorstellung von ›guten‹ Bildern umzusetzen, wenn er mit seiner Kamera wie ein Schriftsteller mit seiner ›Feder‹ schreibt, wenn er den gesamten Produktionsprozess der Bildwerdung in seiner Hand behält und aufgrund seiner Phantasie damit der Wirklichkeit in seinen Bildern seine eigene Persönlichkeit auferlegt, dann handelt er im eigenen Auftrag.
Wie können wir so einen Photographen nennen? Jedenfalls ist er kein Amateur oder Hobbyfotograf, auch kein Berufsfotograf, Journalist oder reiner Dokumentarist. Der Amateur greift nur zur Kamera, wenn ein außergewöhnliches Ereignis vorliegt, der Anstoß kommt also von außen: Urlaub, Hochzeit, runde Geburtstage. Das Foto hat für ihn hauptsächlich Erinnerungswert, die Technik spielt dabei keine Rolle. Auch eine verwackelte oder eine schlecht gestaltete Aufnahme wird aufgehoben.
Dagegen legt der Hobbyfotograf auf die neueste Technik großen Wert. Die Bilder weisen oft ein Übermaß an bildnerischer Komposition auf. Seine technische Ausstattung übersteigt oft in quantitativer und qualitativer Hinsicht die eines Berufsfotografen. Die auflagenstarken Fotozeitschriften liefern die Bildmuster. Der Hobbyist muss ihnen nacheifern, wenn er ein gutes Bild machen will oder wenn er bei den zahlreichen Fotowettwerben bestehen will.
Der Hobbyfotograf überschätzt den technischen Aspekt, das unterscheidet ihn vom fotografischen Künstler. Klaus Honnef hat diesen 1980 in seinen Aufsätzen Autorenfotograf genannt. In der Literatur ist der Autor ein bekannter Begriff, in der bildenden Kunst hielt er in den 1960er Jahren Einzug mit dem Filmautor; dieser ist allerdings schwierig auszumachen, ist es der Regisseur oder der Drehbuchautor? Auch wenn er die Sache gut trifft, der Begriff »Autorenfotografie« hat sich bis heute nicht so richtig durchgesetzt.
Wenn ein Betrachter vor lauter Oberfläche den eigentlichen Inhalt einer Photographie nicht mehr sieht
Beim Betrachten von Photographien sieht der ungeschulte Rezipient meist nur den vordergründigen Inhalt; er lässt sich durch die vermeintlich dokumentarische Aufzeichnung oft vom eigentlichen Inhalt des Bildes ablenken. Die Photographie gilt seit jeher als das Medium, das ein exaktes Abbild der Wirklichkeit darstellt. Der Betrachter dringt gar nicht erst tiefer in die Bedeutung des Bildes ein, sondern im Gegenteil, vor lauter vordergründigem Inhalt sieht er den eigentlichen Inhalt nicht mehr.
Erst mit einer ausführlichen Beschäftigung, also mit mehr als einem flüchtigen Hinsehen, wird die Doppeldeutigkeit einer Photographie erkennbar. Trotz der täglich millionenfach geschossenen Bilder, kann man heutzutage sicherlich noch deutlicher als zu Laszlo Moholy-Nagys Zeiten vom fotografischen Analphabetismus ausgehen. Die Photographie ist eine »Lichtschrift«, die man erst mal lesen lernen muss. In Ausstellungen hat man allerdings auch häufig den Eindruck, dass der Photograph seine eigenen Bilder nicht lesen kann.
Eine gute Photographie erschließt beim Betrachter einen Erfahrungsraum, der sich nicht allein auf den Bildgegenstand beschränkt, sondern seine eigenen Gefühle, Erfahrungen und das Unbewusste mit einschließt, dann erst verliert der fotografierte Gegenstand seine Bedeutung. Ob diese Wahrnehmung zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, zwischen Oberfläche und dem dahinter liegenden Inhalt, auch für die vorliegenden Photographien des »Schwarzbuches« zutrifft, möge der Rezipient für sich selbst entscheiden.
»Im strengsten Sinne sind alle Bewusstseinsinhalte unnennbar. Selbst die einfachste Wahrnehmung ist in ihrer Totalität unbeschreibbar. Jedes Kunstwerk muss daher nicht nur als etwas Dargestelltes verstanden werden, sondern gleichzeitig als ein Versuch, das Unsagbare auszudrücken. In den größten Kunstwerken schwingt stets etwas mit, das sich nicht in Worte fassen lässt, etwas von dem Widerspruch zwischen dem Ausdruck und der Gegenwart des Unausdrückbaren. Stilmittel sind immer auch Methoden der Vermeidung. Das wirksamste Element im Kunstwerk ist nicht selten das Schweigen« [Susan Sontag, in »Against Interpretation«]
Friedhelm Denkeler, im September 2021